Entscheidung über den Einbau einer Photovoltaik-Anlage (Balkonkraftwerk)

Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiepreisentwicklung, der Ressourcenknappheit und dem starken Klimawandel müssen schnelle, effiziente und pragmatische Lösungen zur Energieeinsparung im Gebäudebestand forciert werden. Keine langwierigen und teuren Projekte, sondern schnell umsetzbare, mit am Markt verfügbaren Mitteln sollten im nachfolgenden Feldversuch eingesetzt werden, damit einerseits eine sofortige CO2-Minderung herbeigeführt wird und andererseits den explodierenden Energiepreisen etwas entgegengesetzt wird.

Mit dieser Ausarbeitung verfolgt der Autor das Ziel aufzuzeigen, dass mit schnellen, pragmatischen und einfachen Mitteln ein sofortiger und aktiver Beitrag zur Energieeffizienz in Bestandsgebäuden möglich ist. Dabei wurde mit höher Priorität darauf geachtet, geringe Investitionskosten und schnelle Umsetzungszeiten zu ermöglichen. Zusätzlich wird neben dem Umweltschutz auch ein aktiver Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet, der gerade in dem aktuellen geopolitischen Krisenzeiten viel stärker in den Vordergrund geriet.

1.1 Klein-PV-Anlage zur Grundlastabdeckung

Um in einem 2-Personen-Haushalt die Netzgrundlast abzufangen sollte eine sogenannte Balkon-Anlage mit 1,5 kWp auf einem südausgerichtetem Satteldach mit 31° Azimut installiert werden. In Frage kamen aufgrund der besseren Effizienz monokristalline Module mit einer Leistung von je 325 Wp in einem String von 5 Modulen in Reihe. Als Wechselrichter fiel die Entscheidung auf einen Sunny Boy 1.5 des Herstellers SMA. Laut Berechnungen sollten bei den Parametern ein Jahresertrag von ca. 1,7 MWh erzielt werden, was dem Grundlastbedarf entspricht.

Da jedoch der Generatorertrag nur in den Tagesstunden erzielt werden kann, verbleibt ein ungedeckte Nachstrombedarf, wenn, wie in unserem Überlegungsszenario ausgeschlossen, keine Batteriespeicherung erfolgt. Eine Einspeisung sollte wegen der deutlich längeren betriebswirtschaftlichen Amortisationszeit auch ausgeschlossen werden. Hier bleibt jedoch die gesetzgeberische Entwicklung abzuwarten, da es nach heutigem Erkenntnisstand zum Jahreswechsel 22/23 sich eine positive Veränderung bei den Einspeisevergütungen abzeichnet.

 

1.2 Kosten und Amortisation

Die Anschaffungs- und Montagekosten wurden mit 2.000,- Euro bestimmt. Es wurde angenommen, dass ein Nutzungsgrad von 90% von dem zu erwartenden Jahresertrag erzielbar sind. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer wurde mit 20 Jahren angenommen. Als Leistungspreis wurde der ortsübliche Verrechnungssatz (Stand 8.2021) mit 0,297 Cent/kWh zu Grunde gelegt. Wartungskosten der PV-Anlage wurden mit 100,- Euro/p.a. festgelegt.

Somit darf unter der wohl unwahrscheinlichen Annahme der Preisstabilität der Energiekosten von einer Amortisationszeit von knapp sechs Jahren ausgegangen werden. Bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren wird, ebenfalls unter der oben genannten Annahme der Energiepreisstabilität, ein Überschuss von rund 4.900 Euro erzielt.

1.3 Umweltaspekte

Ausgehend von rund 0,65kg/kWh CO2-Einsparung werden mithin in der Nutzungsdauer der Anlage, quasi als Nebeneffekt, rund 22 t CO2 eingespart. Skeptiker dürften hier den Einwand anbringen, dass hierbei die CO2-Bilanz nicht korrekt dargestellt wird, weil selbstverständlich bei der Herstellung der Komponenten ebenfalls CO2 emittiert wurde. Da es kaum wissenschaftlichen Daten hierzu gibt, blieb dies in der Entscheidung unberücksichtigt. 

1.4 Umsetzen eines hohen Nutzungsgrads der PV-Anlage

In den Vorüberlegungen wurden verschieden Varianten zur Steuerung des Netzstrom- und PV-Stroms durchdacht. Die Entscheidung fiel nicht zuletzt wegen des OpenSource auf „Home Assistant“, nativ auf einem stromsparenden Raspberry PI 4 mit SSD-Festplatte und diversen Aktoren und Sensoren (z.B. Shelly, ESPhome usw.). Ein Brauchwasserspeicher (SHT, 200 l mit elektrischer Heizpatrone 1 kW) stand bereits zur Pufferung von Überschussenergie zur Verfügung. Ein wichtiges Messgerät, Shelly 3PM, wurde zur Netzstromüberwachung an die drei Eingangsphasen des Zählerschranks integriert. Dieses Gerät wird unter anderem über Shell-Skripte in einer 15-minütigen Frequenz per Datenbankabfrage geloggt.

Wie man an obigem Diagramm (18.06.2022) erkennt, steht dem Energieverbrauch (blau) ein annähernd gleich großer PV-Ertrag (violett) gegenüber. In den Nachstunden entstand noch ein Netzstrombedarf von ca. 1,75 kWh. Demgegenüber stand der zu fast 90% genutzte PV-Ertrag von rund 9,7 kWh.

In dem obigen Zeitraum wurden rund 3 kWh in den Brauchwasserspeicher gepuffert. Dabei wurde die Speichertemperatur signifikant um ca. 13 K auf ca. 78 °C erhöht. Diese Temperatursteigerung bewirkte auch, dass keine nächtliche Netzstromnachheizung, wie ohne Pufferung, erfolgte. Folgende Berechnung zur Verdeutlichung:

1.4.1 Wie steuert Home Assistant die Pufferung des Überschusses?

Skriptgesteuert (YAML-Code) wird überschüssige Energie in den Brauchwasserspeicher gepuffert. Hierzu wurde am Pufferspeicher ein Shelly 1PM mit Temperatursensor und ein Schütz verbaut. In einem Berechnungsskript wird die aktuelle Netzlast ermittelt. Sobald der PV-Überschuss > 750 W beträgt schaltet das Skript den Shelly 1PM ein. Dieser zieht den Schütz an und schließt den Heizstabkreislauf. Sinkt der Überschuss unter 575 W wird die Pufferung ausgeschaltet. Leider lässt die verbaute Heizpatrone keine kleineren Überschüsse < 400 W zu, da die Patrone nur 1 kW schaltet. Deshalb ist die Überlegung eine weitere Heizpatrone, bestehend aus 3 x 300 W Heizspiralen in den Flansch des SHT-Speicher zu verbauen. Dann sind auch bei geringen Energieüberschüssen in 300 W – Schritten ein noch effizienteres Puffern auch bei höherem Bedeckungsgrad möglich. Der 1 kW – Heizpatrone verbleibt dann nur zur Schnellnachheizung im Speicher und wird nur im Falle eines höheren Warmwasserbedarfs zugeschaltet. Die Kosten für Spulen und 3 x 300 W - Heizpatrone belaufen sich inkl. Schaltschrank usw. auf ca. 250,- Euro. Weitere Energieüberschüsse können bei Bedarf über automatisierte Wasch- und Spülmaschine, die dann zugeschaltet werden, wenn die Anlage bei Erreichen der maximalen Puffertemperatur von 85 °C (MV-Leitungen für die Verteilung begrenzen die max. WW-Temp.), genutzt werden (noch keine Systemintegration – in Vorbereitung).

2.0 Pro und Kontra des bisherigen Ausbaustands

Nach Betrachtung der bisher vorliegenden Ergebnisse wird betrachtet welche Bereiche schon jetzt zu einer effizienten Energieeinsparung beitragen und welche durch gezielte Optimierung Verbesserungspotential haben. Gibt es weitere Optionen, um den Autarkiegrad zu erhöhen und welche Investitionen müssen dafür aufgewendet werden? Nicht zuletzt wird der Return-On-Invest zu bestimmen sein, um den betriebswirtschaftlichen Nutzen vor dem Hintergrund des Umweltschutzes nicht aus dem Blick zu verlieren.

2.1 Pro

Im Kurzzeitergebnis kann sehr positiv festgestellt werden, dass eine netzversorgte Nachheizung des WW-Speichers nicht mehr erfolgte. Während des vierwöchigen Betriebs wurden im Durschnitt täglich 5,6 kWh eingespart. Das bedeutet 169 kWh/Monat an Netzstromverbrauch wurden umweltfreundlich durch die PV-Anlage generiert und Überschüsse oberhalb der Grundlast zur Warmwasseraufbereitung genutzt (vgl. Abbildung 5 4-wöchiger Nutzungsverlauf). Auch wenn im vierwöchigen Probebetrieb noch nicht alle Verbraucher vollständig automatisiert wurden, konnte durch Handzuschaltung der Waschmaschine und anderer größerer Verbraucher ein weiterer Anteil des Energieüberschuss selbst genutzt werden. Die Automatisierungen hierzu sind bereits vorbereitet und werden im nächsten Schritt getestet.

2.2 Contra

Trotz des Automatisierungsskripts in HA kann genau im Bereich der Pufferung mehr getan werden. Hier zeichnete sich schnell ab, dass die Stellgröße PV-Ertrag mit den Bedingungen des aktuellen Stromverbrauchs der drei Drehstromleitungen L1, L2 und L3 eine sehr weite Streuung hat. Zudem ist die einzelne 1kW-Heizpatrone schon zu groß dimensioniert, um auch kleiner Überschüsse ohne zusätzlichen Netzstrombezug zu ermöglichen, da Überschüsse < 1000 W automatisch zu Netzstrombezug führen.

2.3 Weitere Ausbaustufen

2.3.1 Erweiterungsoption Heizpatrone 3 x 300 W

Nach Recherche im Internet gibt es eine passende Heizpatrone für den unteren Revisionsflansch des Brauchwasserspeichers mit drei einzelnen Heizwendeln mit einer Einzelleistung von je 24 V x 300 W mit Einschraubaufnahme 1 ¼“.

Nun liefert die PV-Anlage im DC-Bereich Umax von 200 V und im AC-Bereich des Wechselrichters 230 V. Somit bedarf es zur Nutzung dieser Heizpatrone noch drei Sicherheitstrafos AC 230 V auf AC 24 V mit je einer Leistung P von 320 VA, um jedes Einzelheizwendel gezielt mit dem jeweiligen PV-Überschuss ansteuern zu können. Als Steuerglied kann ein Shelly 4PM mit vier Relaisausgängen zum Einsatz kommen. Die Kosten für diese Erweiterung belaufen sich auf etwa 200,- Euro. Die Steuerungsintegration kann dann über HA erfolgen. Als Schaltbedingung kann dann auf den aktuellen Leistungsüberschuss zugegriffen werden:

Heizwendel 1 – EIN, wenn Leistungsüberschuss >= 300 W

Heizwendel 2 – EIN, wenn verbleibender Leistungsbeschreibung >= 300 W

Heizwendel 3 – EIN, wenn verbleibender Leistungsbeschreibung >= 300 W

Damit ließen sich dann kleinere Überschüsse in den frühen Morgen- und Abendstunden in den zuvor genannten Intervallen vollständig nutzen. Eine Evaluierung sollte die Steigerung der Energieeffizienz belegen. Ein netzabhängiges Nachheizen sollte damit an Tagen mit wenig Bedeckungsgrad nahezu vollständig eliminiert werden.

3.0 Aussichten

Zunächst bleibt die Energieertragsentwicklung nach vier wöchigem Betrieb abzuwarten.

Aktuell ist ein Gesamtertrag von 246 kWh (5.6. – 4.7.22) entstanden, von dem rund 69%, mithin rund 169 kWh tatsächlich selbst genutzt wurde. Durch zuvor genannte intelligente IoT’s lässt sich der Nutzungsanteil sehr wahrscheinlich noch auf 90% ausbauen. Die blauen Balken zeigen den tatsächlichen Verbrauch. Violette Balken zeigen den PV-Ertrag der Tagesstunden. Tage mit hohem Bedeckungsgrad können den Tagesverbrauch nicht decken. Eine größere PV-Anlage (ca. 2 Strings mit je 1,5 kWp) würde an diesen Tagen den Bedarf abdecken, jedoch an sonnenreichen Tagen mehr als das Doppelte des Tagesbedarfs liefern. Dieser Überschuss müsste dann in Batteriespeicher gepuffert werden, oder als ineffizienteste Variante gegen geringe Vergütung eingespeist werden. Letztere Variante erscheint aus betriebswirtschaftlicher Sicht, wegen des signifikant verschlechtertem „Return on Invest“, wenig sinnvoll.

3.1 Fakten nach einem Jahr Betriebszeit

Die Anlage (1,6 kWp) mit genauer Südausrichtung lag im ersten Betriebsjahr mit 2 TW exakt bei den zuvor berechneten Ertragswerten.

 Solarertrag

Seit Ende Dezember wurde eine Kleinanlage mit einer Gesamtleistung von 645 Wp mit Westausrichtung montiert. Diese Anlage puffert den Tagesertrag in einen eigenentwickelten Batteriespeicher mit einer Kapazität von 1.440 Wh. Bei Erreichen der vollständigen Kapazität wird über eine durch HomeAssistant gesteuerte Schaltung ein Kleinwechselrichter mit einer Leistung von 300 W aufgeschaltet und der Ertrag in das Hausnetz eingespeist. Nach Sonnenuntergang liefert diese Anlage kontinuierlich den Grundlastbedarf von ca. 100 W bis der Entladezustand von 85% der Speicherkapazität erreicht wird. In den Frühjahrs- und Sommermonaten reicht diese Entladezeit für die gesamte Nachtzeit aus. Selbstverständlich sind die Eigenkosten für diese Energie teurer als ohne Speicher, dennoch zeigen die ersten Berechnungen, dass ausgehend von 10jähriger Haltbarkeit des Speichers die so produzierte Kilowattstunde mit ca. 0,15 Euro/kWh immer noch günstiger ist, als der Bezug über Versorger.   

Speicher mit Steuerung

Abbildung PV-Speicher und Steuerung.

  • links oben: Steuerung der zwei MPPT-Laderegler für einen String mit 405 Wp und einen String mit 240 Wp
  • links ganz oben: Victron auf Raspberry PI mit MQTT-Protokollanbindung an HomeAssistant
  • links unten: Inselstromversorgung (Brown Out/ Black Out) über Wechselrichter 500 Wp; Anlage wurde über ein Wechselrelais in die Hausversorgung integriert und speist ohne Verzögerung innerhalb von Millisekunden in das Hausnetz ein, trennt vom öffentlichen Netz und fällt in Millisekunden bei Wiederanliegen der öffentlichen Netzversorgung zurück
  • rechts oben: Steuerschrank für Speicherladung, Speicherladung und OnGrid-Inverter, oder Speichernutzung über OnGrid-Inverter für nächtliche Grundlast mit max. 300 Wp; Anlage ist über einen StepUp-Wandler mit Strombegrenzung elektronisch so angesteuert, dass nur die benötigte Leistung produziert wird, um den aktuellen Grundlastbedarf abzudecken. Also beträgt die Grundlast 100 W, so regelt die Strombegrenzung den OnGrid-Inverter auf 100 W Leistung herab, oder bis maximal zu einer Leistung von 300 W herauf. Dabei liegt die Spannung höher als das Batteriepotential (60 V), um dem OnGrid-Inverter von einer MPPT-Regelung abzuhalten. Dadurch liefert dieses System im Bereich zwischen 50 und 300 W die aktuell nötig Grundlast und ermöglicht bei minimaler Entladeschlussspannung von 25 V (ca. 90% der Kapazität) eine Versorgung von bis zu 10 Stunden.
  • ganz rechts: Netzladeregler für Notfälle (kein PV-Ertrag/ Speicher auf Unterspannung/ Wintermonate lange Nächte kurze Tage wenig PV Ertrag)
  • unten: Brandschutzkasten mit LiFePo4, bestehend aus 3P und 2S aus 12 V, 20 ah Batterien mit aktivem BMS und Shellyuni zur Spannungs- und Temperaturüberwachung. Brandschutz für 60 Minuten mit Alarmausgang und Meldung an HomeAssistant.

Und für Menschen, die meine Verkabelung für ungepflegt halten: ja, das geht auch schöner, aber so wie es ist, funktioniert alles perfekt und die VDE ist eingehalten ;-)